Voraussetzung ist aber, dass er tatsächlich über die einem Fachanwalt entsprechenden Spezialkenntnisse verfügt (Urteil vom 24.07.2014, Az: I ZR 53/13)

 

Sachverhalt: Rechtsanwalt bezeichnet sich selbst auf seinem Briefkopf als „Spezialist für Familienrecht“

 

Die Beklagte ist Rechtsanwalt, der seine Rechtsanwaltskanzlei im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Freiburg hat. In seinem Briefkopf verwendete der Beklagte im Jahr 2011 die Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“.

 

Die klagende Rechtsanwaltskammer ist der Ansicht, dass die Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ irreführend sei, weshalb sie dem Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen hat. Das Landgericht gab der Klage der Rechtsanwaltskammer statt und das Berufungsgericht wies die Berufung des Beklagten zurück. Der Beklagte hat nun Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt.

 

Entscheidung: „Spezialist“ darf sich „Spezialist“ nennen, wenn er über entsprechende theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrung verfügt

 

Der BGH hat der Revision des Beklagten stattgegeben und das Urteil des OLG aufgehoben.

 

Das Gericht hat zur Begründung ausgeführt, dass wenn die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen entsprechen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen. Dies gelte selbst dann, wenn beim rechtssuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht“ besteht.

 

Ein Verbot der Verwendung der Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ ist zum Schutz des rechtsuchenden Publikums und im Interesse der Rechtsanwaltschaft bei Vorhandensein entsprechender Kenntnisse nicht erforderlich und verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der BGH stellte klar, dass Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit aber nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, wenn sie den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Dies wäre aber bei einem Verbot nicht mehr der Fall.

 

Nach Ansicht des BGH kann kein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen der Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ aus §§ 8, 3, 4 Nr. 1 UWG i.V.m. § 43b BRAO, § 7 Abs. 2 BORA oder aus § 5 Abs. 1 S.2 Nr. 3 UWG hergeleitet werden.

 

Dabei trägt jedoch der sich selbst als Spezialist bezeichnende Rechtsanwalt die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit seiner Selbsteinschätzung.

 

Fazit: „Spezialist“ und „Fachanwalt“ de facto gleichgestellt

 

Bisher durften Rechtsanwälte keine Bezeichnungen verwenden, die zu einer Verwechslung mit einem Fachanwaltstitel führen konnten. Diesbezüglich hat der BGH nun seine Ansicht geändert und das Tragen entsprechender Bezeichnungen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Rechtsanwaltschaft hat, denn wenn ein „Spezialist“ einem „Fachanwalt“ de facto gleichgestellt ist, stellt sich die Frage, warum ein Rechtsanwalt noch das aufwändige Verfahren zum Erwerb eines Fachanwaltstitels auf sich nehmen sollte.