Verfassungsbeschwerde gegen wettbewerbsrechtliche Verurteilung wegen unzulässiger Werbung durch Sponsoring erfolgreich (BVerfG vom 17.04.00, Az: 1 BvR 721/99)
Sachverhalt: Rechtsanwaltskanzlei sponserte Kulturveranstaltungen
Die beschwerdeführende Rechtsanwaltskanzlei sponserte verschiedene Veranstaltung im kulturellen Bereich, wie etwa ein Konzert einer Big Band zum Landespresseball in der Philharmonie Rostock und eine Kunstbörse mit anschließender Auktion. Dabei war die sponsernde Rechtsanwaltskanzlei in der untersten Zeile des Werbeplakates aufgeführt und ausdrücklich in dem Einladungsschreiben genannt.
Nach Erscheinen der Einladung zum Landespresseball beantragte ein Rostocker Rechtsanwalt eine einstweilige Verfügung gegen die Beschwerdeführerin auf Unterlassen der Werbung wie zum Landespresseball. Das Landgericht hielt den Antrag für unzulässig, da die erforderliche Dringlichkeit fehle. Die hiergegen eingelegte Berufung vor dem Oberlandesgericht sah dies anders und erließ eine entsprechende einstweilige Verfügung auf Unterlassen der Werbung.
Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts legte die beschwerdeführende Rechtsanwaltskanzlei Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein, da sie sich in Art. 12 Abs. 1 (Berufsausübungsfreiheit) verletzt fühlt.
Entscheidung: Sponsoring von Anwälten verstößt nicht gegen das Berufsrecht
Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt, da es die Beschwerdeführerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletzt sah.
Das Gericht stellte klar, dass das für Rechtsanwälte geltende Werbeverbot das Vertrauen der Rechtsuchenden stärken soll, dass der Anwalt nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder die Sachbehandlung an Gebühreninteressen ausrichten werden. Dabei sind neben irreführender Werbung insbesondere aufdringliche Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich an Gewinn orientierten Verhaltens sind, verboten.
Die Frage, welche Werbeformen als üblich und angemessen oder eben übertrieben zu werten sind, unterliegt zeitbedingten Veränderungen. Das BVerfG macht deutlich, dass dem Wandel Rechnung zu tragen ist, weil sich hierdurch Wahrnehmungsfähigkeit und Wahrnehmungsbereitschaft der Öffentlichkeit ändert. Letztlich stellte das Gericht klar, dass allein aus dem Umstand, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, nicht gefolgert werden kann, dass dies unzulässige Werbung ist und daher ist Sponsoring nicht von vornherein unangemessen und übertrieben. Zudem beruht nach Ansicht des BVerfG die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegende Annahme, den Beschwerdeführern sei als Anwälten Sponsoring regelmäßig verboten, auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit. Denn nach § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA dürfen Rechtsanwälte über ihre berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichten.
Das Gericht stellte dabei abschließend fest, dass gegen die anwaltliche Werbung nichts spricht, wenn ein seriöser Anlass und keine marktschreierische Werbemaßnahme vorliegt.
Fazit: Für Anwaltswerbung gelten auch heute noch strenge Maßstäbe
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass noch immer strengere Maßstäbe an anwaltliche Werbung gesetzt werden, als an Werbung der freien Wirtschaft.